Viel Interesse am 8. Krefelder Palliativtag

Die Gesprächsrunde zum Thema „Brauchtum und Erinnerungskultur“ brachte viele interessante Aspekte. (Bild: Hospiz Stiftung Krefeld)

„Zu einer umfassenden Palliativ-Versorgung ist die Vernetzung mit den sozialen Strukturen wichtig“, erklärte Prof. Dr. Thomas Frieling (Gründungsinitiator des Palliativtags) das Schwerpunktthema des „8. Krefelder Palliativtag“ am Samstag (11. Oktober) „Brauchtum, Erinnerungskultur und Netzwerk“.  Er begrüßte mit Prof. Dr. Roland Besser (Vorsitzender Hospiz Stiftung Krefeld) und Alexander Henes (Gesamtleiter Hospiz) die knapp 100 Zuhörer/-innen im voll besetzten Foyer der VHS Krefeld.

Der Palliativtag fand anlässlich des Welthospiztages statt und wurde organisiert vom Palliativ Netzwerk Krefeld und der Hospiz Stiftung Krefeld. Das Programm hatten Michaela Colmie (Leitende Koordinatorin ambulanter Hospiz- und Palliativberatungsdienst) mit Alexander Henes zusammengestellt.

VHS-Leiter Dr. Thomas Freiberger freute sich, dass die Organisatoren zum dritten Mal die Räumlichkeiten nutzen: „In einer VHS muss über alle Themen gesprochen werden, deswegen macht es hier viel Sinn.“ Als Vertreter der Stadt begrüßte Bürgermeister Karsten Ludwig das Publikum und betonte die Wichtigkeit des Themas Hospiz- und Palliativarbeit: „Nur wenn wir darüber sprechen, bleibt es kein Randthema (…) Würde ist kein abstrakter Begriff, sondern zeigt sich in vielen kleinen Gesten.“ Dass die Organisatoren Brauchtum bzw. Vereinsleben und Hospiz-Arbeit verbunden hatten, war für ihn nachvollziehbar: „Das Vereinsleben wird geprägt von dem Gedanken, dass niemand allein sein soll.“.

Erster Redner war am Vormittag Christoph Kuckelkorn, Kölner Bestattungsunternehmer und Präsident des Festkomitees Kölner Karneval. Er hatte einen Begleiter mitgebracht – einen mit Pappnase, Orden und Festkappe geschmückten Totenschädel. Nicht nur im Winterbrauchtum Karneval, sondern auch im Schützenwesen seien die Gemeinschaft und die Begleitung von Kameraden in der letzten Lebensphase wichtig, meinte er. Der Karneval habe nachdenkliche und melancholische Momente, der Tod sei durchaus präsent – etwa bei der feierlichen Beerdigung des „Nubbel“ zum Ende. Die Erinnerungskultur sei Teil des Karnevals – so hätten die Kölner Karnevalsvereine Flächen auf dem Melathen-Friedhof gekauft, wo Mitglieder beigesetzt werden können. An den stillen Gedenktagen besuchten die Karnevalisten diese Gräber, „und danach geht es mit einem Bier in der Gaststätte weiter. So gewinnen wir junge Menschen, an diesen Terminen teilzunehmen“, schilderte er. Danach ging er auf Aspekte seines Berufs als Bestattermeister ein. Bestatter seien Begleiter und „wedding planer in schwarz“ – bei einer Bestattung werde alles penibel organisiert, nur in der viel kürzeren Zeit von nur wenigen Tagen. Sie arbeiteten für alle Religionen und organisierten die verschiedensten Beisetzungsformen. Kritisch setzte er sich mit anderen Fragen auseinander – wie etwa der, ob es tatsächlich gut sei, zuzulassen, dass eine Urne mit nach Hause genommen werde: Wie solle es dem/der Hinterbliebenen gelingen, eine neue Beziehung aufzubauen, wenn der verstorbene Partner auf dem Kaminsims stehe? Ebenso gebe es auch andere Menschen aus dem Umfeld des/der Verstorbenen, die einen zugänglichen Ort für die eigene Trauerarbeit benötigten… Bestatter und Hospiz-Mitarbeiter/-innen im Haupt- oder Ehrenamt hätten eine große Nähe zur Endlichkeit, die sie lehre, jeden Tag zu nutzen: „Carpe Diem“. Danach las er einen Auszug aus seinem Buch „Der Tod ist dein letzter großer Termin“ vor und schilderte, mit welchen tiefen Emotionen er die Nachricht vom Unfalltod seiner ersten Frau erlebt hatte. Dieser Bericht ging allen Zuhörern sehr nahe.

Zweiter Punkt des Vormittagsprogramms war eine von Tania Cosman moderierte Gesprächsrunde mit Kuckelkorn, Christian Cosman (Präsident Prinzengarde Krefeld), Kabarettist Jochen Butz und Alexander Henes. Unter anderem stellte Tania Cosman die Frage, ob die Diskussionsteilnehmer glaubten, dass Menschen in einer Gemeinschaft besser sterben würden. Das bejahte Jochen Butz aus der eigenen Erfahrung beim Tod seines Bruders. Alexander Henes differenzierte: „Es gibt Menschen bei uns im Hospiz, die wollen allein sein. Das respektieren wir.“ Zur Frage, wie wichtig Gemeinschaften seien, führte Kuckelkorn aus, dass Vereine wichtig seien, Nachbarschaften aber noch viel mehr. „Die sind gefordert hinzuschauen… da wird viel geleistet, wenn keine Familie da ist“. Heute bezeichne man das als „caring community“, das müsse an Bedeutung gewinnen, so Henes. Christian Cosman schilderte, dass in der Krefelder Prinzengarde die Erinnerungskultur gepflegt werde und die Angehörigen eines Verstorbenen integriert bleiben. Einig waren sich alle, dass es gelte, die Wünsche des Gastes und der Familien zu respektieren, „wir drängen uns nicht auf. Das braucht Fingerspitzengefühl“, so Christian Cosman und Christoph Kuckelkorn. Das Krefelder Brauchtum war auch durch das designierte Krefelder Prinzenpaar, Prinz Uli I. Küsters und Prinzessin Steffi III. Ridder vertreten.

Nach der Mittagspause lag der Schwerpunkt auf dem Thema „Palliativ Netzwerk Krefeld“. Die Vorträge wurden von Michaela Colmie eingeleitet. Themen waren die Geschichte der Entstehung des Palliativ Netzwerkes seit 2007, aktuelle Planungen und Entwicklungen sowie Kurzpräsentation der aus der Historie gewachsenen Gründungskooperationspartner: SAPV Krefeld mit Dr. Ralf Brandstetter und Dr. Achim Thater, Caritas Krefeld mit Sachbereichsleiterin Regina Schüren und DRK-Schwesternschaft Krefeld mit Vorsitzender Diane Kamps.

Der designierte Koordinator des Palliativ Netzwerkes, Michael Schröder (Ambulanter Hospiz- und Palliativberatungsdienst) erläuterte die Zukunft – unter anderem Fragen der finanziellen Förderung über das Sozialgesetzbuch und die Aufgaben des Koordinators. Dieser solle neutral mit allen in der Palliativ-Arbeit tätigen Institutionen und Organisationen arbeiten. Als ein künftiges Arbeitsfeld nannte er die Entwicklung einer Info-Plattform für die Bürger/-innen zu allen Anbietern im Palliativ Netzwerk Krefeld 2.0.

Alexander Henes war es wichtig zu betonen, dass die Stadt Krefeld das Palliativ Netzwerk vollumfänglich und vorbildlich unterstütze. Ebenso lag ihm am Herzen, die sozial engagierte und manchmal versteckte Seite des Brauchtums zu würdigen. Michaela Colmie betonte aus ihrer Erfahrung die Notwendigkeit eines insgesamt gut funktionierenden Netzwerks.

„Unser Ziel muss es sein, ein Netzwerk zu erstellen als Servicestelle für Betroffene und Angehörige, sonst macht es keinen Sinn“, formulierte Prof. Dr. Roland Besser (Vorsitzender Hospiz Stiftung Krefeld) als Schlusswort des Tages.

zurück